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Paul Göhre und Frankfurt an der Oder um 1900
Europa-Universität Viadrina, Sommersemester 2012
1894 wurde Paul Göhre zweiter Pfarrer der St.-Gertraud-Gemeinde, zu der auch viele Eisenbahnarbeiter gehörten, die damals in Frankfurt wohnten. Göhre hatte zuvor mit seiner Reportage „Drei Monate Fabrikarbeiter und Handwerksbursche“ für Aufsehen gesorgt: Der studierte Theologe hatte dazu ‚undercover‘ als einfacher Arbeiter gelebt – damals ein ungeheuerlicher Vorgang, weil er die scharfe Grenzziehung zwischen Arbeiterschaft und Bürgertum überschritt.
Auch als Pfarrer in Frankfurt setzte er sich für die Arbeiter ein – und damit zugleich auch in die Nesseln. Seine Arbeit stieß auf Missfallen, auch bei der Kirchenleitung. In Reaktion darauf gab Paul Göhre bereits 1897 sein Pfarramt wieder auf und betätigte sich stärker politisch im von ihm 1896 zusammen mit Friedrich Naumann gegründeten Nationalsozialen Verein. 1900 kam es dann zum nächsten ‚Skandal‘, als Paul Göhre zur SPD übertrat: Ein bürgerlicher Theologe in der religionskritischen Arbeiterpartei – das passte nach damaligen Verständnis für kaum jemanden zusammen.
Im Seminar werden wir Paul Göhres Grenzüberschreitungen vor dem gesellschaftlichen Hintergrund des Kaiserreiches untersuchen. Insbesondere werden wir uns dabei auf seine Frankfurter Zeit konzentrieren. Welche Spuren seiner Tätigkeit lassen sich in Frankfurt noch entdecken? Wie wichtig war diese Zeit für Göhres weitere Entwicklung? Dazu werden wir ausführlich auf das Frankfurt um 1900 eingehen und uns auch aktiv auf die Suche nach Spuren machen. Wenn Sie also die Stadt, in der Sie studieren, etwas besser kennenlernen wollen, dann sind Sie in dem Seminar genau richtig!
Nach vorheriger Absprache mit dem Dozenten steht das Seminar auch allen Interessierten offen, die nicht an der EUV studieren.
Seminar: BA, Kulturwissenschaften-/Kulturgeschichte-Vertiefung, Mittwoch, 11.15-12.45 Uhr, Ort: GD 07, Veranstaltungsbeginn: 4.04.2012
Seminarleitung
Christian Hörnlein