Jan 092014
 

NO PIASTBericht vom Festival des verlorenen Kinos „NO PIAST”

Słubice, 8. bis 10. November 2013

Das Kino Piast, von dem heute nur noch die Fassade steht, wurde im Rahmen des „NO PIAST“ Festivals für ein cineastisches Wochenende wiederbelebt. Das Słubicer Kino war langezeit kultureller Bildungsort für Frankfurter und Słubicer in der wechselvollen Geschichte der Doppelstadt. Vom 8. bis 10. November 2013 lud das Institut für angewandte Geschichte e.V. alle Filmbegeisterten ein, die Geschichte des alten Kinos zu entdecken. Die Idee des Festivals war, die Geschichte des Kinos im Kino zu erzählen.

Im Kulturzentrum SMOK ließen 300 deutsche und polnische Besucher an den drei Abenden das Kino „Piast“ durch fünf historische Filme wieder aufleben. Die ausgewählten deutschen und polnischen Filme waren alle im Kino „Piast“ oder Filmpalast Friedrichstraße gelaufen, wie das Kino früher hieß. Jeder Film stand für eine kinogeschichtliche Epoche, die auch an die Geschichte Frankfurts und Słubices und die Erinnerungen ihrer Bewohner anknüpft.  Ergänzt wurde das Programm durch Erlebnisberichte und historische Fakten rund um das Kino von seiner Eröffnung bis heute.

Der Frankfurter Historiker Eckard Reiß erzählte zum Auftakt vom frühesten Geschehen rund um Filmpalast Friedrichstraße in der damaligen Frankfurter Dammvorstadt. Am 17. Januar 1925 kündigten die Oderzeitung und der Volksfreund die Einweihung des Filmpalastes an. Zur feierlichen Eröffnung um sechs Uhr abends wurde der Stummfilm „Carlos und Elisabeth” gezeigt. Zur selben Zeit 98 Jahre später begann der Film ein paar hundert Meter weiter im SMOK.

Ralf Forster vom Filmmuseum Potsdam berichtete über die opulenten Werke jener Zeit. Die filmischen Adaptationen von Theaterstücken, wie hier von Schillers „Don Carlos“, waren damals außerordentlich beliebt. Das Publikum im Jahr 2013 nahm die Atmosphäre der Stummfilmära  und die Piano-Livemusik von Zdzisław Babiarski gefangen. Wie Eckard Reiß weiter berichtet, befand sich von 1930-37 im Kinogebäude das Tanzlokal „Elysium“. Passend dazu luden das Institut für angewandte Geschichte nach dem Eröffnungsfilm im Klub Prowincja zu einer 30er-Jahre-Party ein.

Welche Spuren das Kino „Piast“ im heutigen Słubice hinterlassen hat, konnten die Besucher am nächsten Tag entdecken: Das Kinogebäude selbst wurde 2009 abgerissen. Die Fassade trägt nur noch einige Buchstaben des ursprünglichen Schriftzuges, das namensgebende „NO PIAST“. Adrian Mermer, ein Słubicer Architekt, zeigte Elemente des Art Déco Stils und  Expressionismus in der Kinofassade. Nach dem Spaziergang erzählte Magda Abraham-Diefenbach die wechselhafte Geschichte des Kino „Piast“, das unter diesem Namen am 1. Oktober 1947 wiedereröffnet wurde und 2005 wegen der finanziellen Schwierigkeiten seine Pforten schloss. Doch die Geschichte des Kinos geht weiter. Bis heute dauert der Kampf um den Erhalt seiner denkmalgeschützen Fassade.

Am Samstag widmete sich das Festival der polnischen Kinogeschichte mit zwei Klassikern der 70er und 80er Jahre: „Tarnfarben“ von Krzysztof Zanussi und die Retro-Kriminalkomödie „Vabank“ von Juliusz Machulski. Als Begleitprogramm zeigte der Künstler Ryszard Górecki „Große Kunst in der Kleinstadt” mit gesammelten Plakaten aus dem Kino Piast im Collegium Polonicum. Seine Sammlung bebilderte die Erinnerungen der Einheimischen, Zeitzeugen erinnerten sich am Ende des Abends an ihre Kinoerlebnisse im „Piast“.

Am letzten Festivaltag wurden die beliebtesten Produktionen des Kinos in einer traditionellen “poranek filmowy” (Film-Matinee) gezeigt. Es war in Polen und der DDR nach 1945 üblich, Kinder zu diesen traditionellen Filmvormittagen einzuladen. Der Abschlussfilm “Winnetou und Halbblut Apanatschi” gehörte in den 70er Jahren zum beliebtesten Kinoaufführungen in Polen.

Der Erfolg des Festivals macht deutlich, dass sich die Einwohner von Frankfurt und Słubice auch  100 Jahre nach der Eröffnung mit dem verloren geglaubten Kino Piast verbunden fühlen. Hoffentlich erinnert sich die Doppelstadt auch in Zukunft an die vielfältige Geschichte des Kinos. Wir bedanken uns bei allen, die dabei waren!

Projektkoordination: Patrycja Tepper

Projektpartner: „Dobro Kultury” – Stiftung zum Schutz des europäischen Kulturerbes

In Zusammenarbeit mit: Kulturhaus SMOK und Collegium Polonicum in Słubice sowie Verbündungshaus fforst aus Frankfurt (Oder)

Gefördert durch Euroregion PRO EUROPA VIADRINA und Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit

NEWS! Das polnische Kultusministerium bestätigt Denkmalstatus der PIAST-Fassade

Kino „Piast” ist für das Institut für angewandte Geschichte seit Anfang der 2000 Jahre ein wichtiger Ort. 2003 und 2004 veranstaltete der Verein unter dem damaligen Namen trankultura dort noch deutsch-polnische Filmabende. Im April 2009 versuchten wir den Abriss des Kinos zu verhindern und organisierten eine Diskussion über die Zukunft des Kino „Piast“. Das Denkmalschutzamt konnte im Jahre 2009 nur noch die Fassade auf die Liste geschützter Objekte setzen. Der Kinosaal wurde im Dezember 2012 abgerissen.

Es folgte eine lange Auseinandersetzung mit den Besitzern. Sie bemühten sich, die Fassade von der Liste streichen zu lassen. Nun lehnte im Dezember 2013 das polnischen Kulturministerium den Antrag des Besitzers ab. Zudem müssen die beim Abriss des Kinosaals beschädigten Elemente der Fassade wiederhergestellt werden.

Wir freuen uns sehr, dass inzwischen auch viele Słubicer Akteure bei der Rettung der Fassade aktiv geworden sind: Architekt Adrian Mermer, Lokalhistoriker Roland Semik, die „Dobro Kultury” Stiftung zum Schutz des europäischen Kulturerbes und auch der Verein Slubiczanie.pl. Die Facebookseite Save Kino Piast, die auf eine studentische Initiative der Viadrina zurückgeht, ist bis heute eine gute Austauschplatform für alle Interessierten. https://www.facebook.com/KinoPiast

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